Vorwand oder Einwand

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Hier schreibt Thomas Bottin aus über 20 Jahren Vertriebserfahrung – direkt und praxisnah.

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Vorwand oder Einwand

Wie kannst du Vorwände von Einwänden unterscheiden? Ich möchte dir hier zwei Methoden vorstellen, mit denen du Vorwänden auf die Spur kommen kannst.

Vorwände von Einwänden zu unterscheiden ist bei der Einwandbehandlung erfolgsentscheidend. Warum? Weil dich eine gute Einwandbehandlung bei echten Einwänden weiter bringt, aber bei Vorwänden nur verschwendete Zeit ist. Deshalb musst du ein Gespür für Vorwände und Einwände entwicklen und natürlich auch entsprechende Verkaufswerkzeuge dafür haben.

Ein Vorwand ist eine Schutzbehauptung des Kunden

Vorwände werden immer dann von deinem Kunden eingesetzt, wenn er dir nicht die harte Wahrheit sagen will. Ein Kunde sagt z.B. zu dir: „Es ist zu teuer.“, denkt aber in Wirklichkeit: „Das Thema hat keine Priorität für mich, ich will mich damit nicht näher befassen“. Wenn du jetzt episch in die Preisargumentation einsteigst, kannst du dich fusselig argumentieren, bewegen wirst du damit nichts. Nicht weil deine Preisargumentation schlecht wäre, sondern weil der Preis nicht der wahre Einwand ist, sondern ein Vorwand. Deine Deutschlehrerin würde sagen: Thema verfehlt, setzen, sechs! Ist ja gar nicht schlimm. Das passiert den Besten von uns. Aber die Vorwände haben eine sehr unangenehme Eigenschaft: Sie kommen selten allein.

Das Ziel ist Vorwände zu erkennen statt sie zu argumentieren

Ein Vorwand kommt selten allein. Wenn du den Vorwand „zu teuer“ ausführlich argumentiert hast wird der Kunde nicht kaufen. Ganz im Gegenteil. Er wird einen weiteren Vorwand bringen. Dieses Mal vielleicht: „Ja, der Preis ist ja auch nicht der einzige Grund. Wir sind eigentlich mit unserem jetzigen Lieferanten ganz zufrieden.“. Wenn du jetzt wieder brav den Lieferanten-Einwand entkräftest, kann ich dir eine top Leseempfehlung geben: Michael Ende „Die unendliche Geschichte“.

Kurz gesagt:

Wer Vorwände nicht entlarvt und sie statt dessen für bare Münze nimmt, verhält sich wie die Schildbürger, die versuchen das Sonnenlicht mit Eimern ins Haus zu tragen.

Ist ja eine nette Idee, aber wahrscheinlich ist es cleverer, einfach ein Fenster ins Haus zu bauen. Und genau das gleich gilt für die Behandlung von Vorwänden. Ist ja nett wenn du es versuchst, aber wahrscheinlich ist es cleverer, einfach eine Technik zu haben um Vorwände zu erkennen und den wahren Einwand hinter dem Vorwand heraus zu kristallisieren.

Wir halten also einmal fest:

  • Einwände kannst du argumentieren und ausräumen
  • Vorwänden kannst du nicht ausräumen, da du den wahren Grund für den Widerstand gar nicht kennst.
  • Wer im Verkaufsgespräch sachlich auf Vorwände eingeht wird belohnt; nämlich mit weiteren Vorwänden. Und du kannst ganz sicher sein, dass deinem Kunden garantiert immer wieder ein neuer Vorwand einfällt.

Das Dilemma: Einwand oder Vorwand?

Das Verrückte an Vorwänden ist: jeder Vorwand könnte genauso gut auch ein Einwand sein. Es könnte also genauso gut auch stimmen, dass der Preis der wahre Grund des Einwandes ist. Und dann ist eine Preisargumentation oder vielleicht sogar der Einstieg in die Preisverhandlung genau die richtige Herangehensweise im Verkaufsgespräch. Aber wie kriegt man das heraus? Vorwände kannst du leicht daran identifizieren, dass sie bei dem Versuch, sie wie einen Einwand zu behandeln, entweder wiederholt werden, oder dass ein weiterer Vorwand folgt. Aber dann ist das Kind ja bereits in den Brunnen gefallen.

Gibt es also eine Vorgehensweise mit der wir frühzeitig Vorwände entlarven können? Dafür gebe ich dir einmal zwei Ideen an die Hand. Die eine Verkaufstechnik ist für die mutigen und die andere ist für die Diplomaten unter euch. Wir fangen einmal diplomatisch an.

#1 Die Isolier-Technik zum ausräumen von Vorwänden

Wenn du aus deinem Verkaufsgespräch keine unendliche Geschichte machen willst, musst du agieren statt reagieren.Solltest du das Gefühl haben, dass dein Kunde einen Vorwand bringt, steige nicht gleich in die Argumentation ein, sondern frage zunächst nach, ob es – außer diesem Punkt – noch andere Aspekte gibt, die ihn von einer Kaufentscheidung abhalten. Damit grenzt du das Argumentationsfeld noch vor deiner Verkaufsargumentation ein. Denn sollte dein Kunde dir jetzt einen weitere Punkte nennen, handelt es sich dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit eher um den wahren Einwand. Jetzt lohnt es sich zu argumentieren.

Beispiel 1: Vorwand isolieren

„Ich habe schon von Ihnen gehört. Sie sind zu teuer.“

„Gibt es außer der Preisfrage noch etwas, was Sie daran hindert, dass wir uns einfach einmal zusammen setzen?“

„Wir haben mit unserem jetzigem Lieferanten gerade erst wieder einen 3-Jahresvertrag abgeschlossen und ich will da auch zum jetzigen Zeitpunkt keine Unruhe reinbringen.“

Der Vorwand ist hier also zu teuer. Der Einwand hinter dem Vorwand ist die vertragliche Bindung. Jetzt kannst du entscheiden, ob du den Einwand mit den entsprechenden Werkzeugen argumentieren willst. Möglichkeiten gibt´s da genug 😉

Wenn du ganz sicher gehen willst, dass du den Einwand herausgefunden hast, kannst du noch einen Schritt weiter gehen. Du arbeitest dann mit dem Bedingungsabschluss oder der Annahmetechnik. Das hört sich so an:

Verkäufer: „Angenommen das mit ihrem jetzigen Lieferantenvertrag wäre zu lösen, würden Sie dann einem ersten Treffen zustimmen?“

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Beispiel 2: Vorwand isolieren

„Unsere Mitarbeiter wollen keine betriebliche Altersvorsorge.“

„Gibt es außer der Skepsis Ihrer Mitarbeiter noch etwas, was Sie daran hindert, dass wir uns einfach einmal zusammen setzen?“

„Das soll jeder Mitarbeiter selber machen. Ich stehe da keinem im Weg, aber ich habe keine Lust dafür wieder wertvolle Zeit zu verschwenden.“

„Wenn Sie sagen „wieder“ hört sich das an, als ob Sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben?“ Kunde: „Ja, wir haben vor 2 Jahren…“

Der Vorwand ist hier „die Mitarbeiter wollen das nicht“. Der wahre Einwand ist aber „schlechte Erfahrungen gemacht“.

Das Sprachmuster der Isoliertechnik

  • Gibt es außer dem …(Vorwand)… noch etwas was Sie zögern lässt von … zu profitieren?
  • Gibt es sonst noch etwas, was Sie von einem Kauf abhält?
  • Gibt es noch einen weiteren Aspekt neben dem …(Vorwand)…, der Sie daran hindert jetzt zu bestellen?
  • Angenommen das mit dem …(Vorwand)… wäre zu lösen, würden Sie das Angebot dann annehmen?

#2 Vorwand enttarnen durch Provokation

Die zweite Verkaufstechnik um Vorwände von Einwänden zu unterscheiden, ist nichts für schwache Verkäufer. Denn hier arbeitest du mit der guten alten Provokationsmethode. Wie funktioniert das? Du äußerst eine Vermutung, die du dann auch noch schön provokant formulierst.

„Unsere Mitarbeiter wollen keine betriebliche Altersvorsorge.“

„Das sagen Sie doch jetzt nur, weil Sie keine Lust haben das Thema für Ihre Mitarbeiter anzufassen.“

„Ja, ganz genau. Ich habe nämlich keine Lust noch einmal diese ganze Beratungsarie in meinem Unternehmen durchzuführen, nur um dann am Ende sogar als der Buhmann da zu stehen.“

„Wie meinen Sie das?“ 

Warum nutzen Kunden Vorwände?

Wer immer nur seine ehrliche Meinung sagt, hat es schwer im Leben. Allerdings ist es hilfreich, zwischen guten und bösen Lügen zu unterscheiden. Bill Clinton hatte keinen Sex mit Monica Lewinsky, Walter Ulbricht wollte keine Mauer bauen und Uwe Barschel hat seinen Wahlkampfgegner Björn Engholm nicht bespitzeln lassen. Alles legendäre (böse) Lügen!

Aber was erzählt dir dein Kunde eigentlich so den ganzen Tag? Hast du manchmal auch den Verdacht, dass die Wahrheit ab und zu etwas gebogen wird? Für „unfallfreiere“ Kommunikation sind da ein paar gute Lügen schon unentbehrlich. Die Amerikaner nennen diese Weichspüler-Notlügen „White Lies“ (weiße Lügen). Lügenforscher – ja, so etwas gibt es wirklich – haben herausgefunden, dass häufig aus “prosozialen Gründen” gelogen wird. 50% aller Lügen sind also darauf angelegt das Zusammenleben und -arbeiten zu erleichtern. Man mag den Gegenüber nicht mit der harten, grausamen Wahrheit konfrontieren. Man möchte seinen Gegenüber schonen. Gerne genommen sind Lügen wie: “E-Mail? Die muss im Spamordner gelandet sein!”, “Ich muss jetzt auflegen, ich muss ins Meeting” oder “Ihre Verkaufspräsentation hat uns super gefallen, wir müssen uns das noch einmal durch den Kopf gehen lassen.”.

Die wichtigsten 3 Gründe für Vorwände im Verkaufsgespräch:

  1. Der Kunde ist nicht überzeugt, er will uns als Verkäufer aber nicht verletzten: Gute Verkäufer erarbeiten sich während eines Verkaufsgespräch ein sogenanntes Sympathiefeld. Da fällt es dem Kunden natürlich schwer dem Verkäufer eine Absage zuerteilen und er greift lieber auf White-Lies zurück (Das hört sich alles sehr interessant an, aber wir haben im Moment keinen Etat dafür.
  2. Der Kunde empfindet Scham wenn er die wahren Motive äußert. Er traut sich z.B. nicht, im Verkaufsgespräch zuzugeben, dass ihm das Produkt zu teuer ist und er möchte sich nicht die Blöße geben, dass ihm das Geld dazu fehlt.
  3. Der Kunde flunkert mich bewusst an, weil er das Produkt sowieso für weniger Geld im Internet kaufen will. Viele Käufer nutzen vor Ort den Einzelhandel als persönliche Info- und Entscheidungsquelle.

Als Verkäufer willst du nicht geschont werden!

Als Verkäufer willst du reale Einwände und keine luftigen Vorwände. “Prosoziale” Lügen – á la “ich muss mir das noch einmal überlegen” – sind zwar angenehmer Kommunikationskit schaden dir aber mehr als sie dir nutzen. Mit realen Einwänden im Verkaufsgespräch kannst du mit einer guten Einwandbehandlung punkten. Vorwände dagegen musst du enttarnen, wenn du nicht auf das falsche Gleis geführt werden willst. Es gibt einen schönen Spruch: “Raus ist aus!” Wenn dein Kunde sich mit einem Vorwand verabschiedet, ist der Ofen aus. Das merkst du spätestens beim vierten vergeblichen Rückrufversuch. Also musst du lernen, dich über “prosoziale” Gründe hinweg zu setzen und beharrlich (nicht aufdringlich) sein.


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