Es gibt keine dummen Fragen?

Jeder kennt wahrscheinlich den alten Satz: es: gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten. Aber stimmt das wirklich? Das ist ein bisschen wie mit dem Achtjährigen, der seine Lehrerin fragt:

„Was habe ich denn heute eigentlich gelernt?“  und die Lehrerin sagt „Das ist aber eine dumme Frage.“ „Ja, das finde ich auch, aber zu Hause fragen sie mich auch immer so dumm.“

Wir halten einmal fest: Es gibt tatsächlich dumme Fragen. Oder lass es uns einmal etwas weniger polemisch ausdrücken: im Vertrieb gibt es Fragen, die sich im Nachhinein als nicht effektiv erweisen, weil sie nicht den gewünschten Erfolg bringen. Ich habe einmal drei dieser Fragen mitgebracht, die auf den ersten Blick durchaus sinnvoll klingen, sich aber in der täglichen Vertriebspraxis als Rohrkrepierer erweisen.

[Ein Rohrkrepierer ist ein Geschoss, das schon im Lauf einer Schusswaffe explodiert oder aus anderen Gründen nicht bestimmungsgemäß funktioniert. Im übertragenen Sinne bezeichnet man auch eine Maßnahme, die in einem Misserfolg endet, als Rohrkrepierer. So definiert Wikipedia einen Rohrkrepierer.]

Frage 1: Sind Sie der Entscheider?

Die Idee hinter der Frage ist natürlich super. Du willst herausfinden, wie das bei einem Buying-Center gestrickt ist. Denn nichts ist erfolgloser, als den Versuch zu unternehmen an jemanden zu verkaufen, der nicht der Entscheider ist. Deswegen liegt es natürlich nahe, diese Entscheiderfrage auch zu stellen. Bis hierhin habe ich gar keine Einwände. Jetzt kommt´s allerdings zum Wie. Ich sage es mal so: wenn du diese Frage genauso stellst (Sind Sie der Entscheider?) challenged das Ego deines Gesprächspartners. Sie ist einfach zu direkt.

Wer gibt schon gern im Gespräch zu, dass er nicht entscheiden kann? Sind Sie der Entscheider? Nein, ich bin einfach nur der Vollidiot, der ans Telefon gegangen ist. Und schon Hemingway hat festgestellt: der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem fast richtigen Wort ist wie der Unterschied zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.

Gleichzeitig ist die Frage nach den Entscheidungsbefugnissen sehr wichtig für deine Verkaufsstrategie. Was kann man also machen? Du musst dir also Gedanken darüber machen, wie du diese Frage Ego-mäßig entschärfen kannst. Wie du sie besser stellen kannst. Eine Möglichkeit diese Frage zu entschärfen, könnte sich so anhören:

„Herr Egomanus, darf ich Ihnen einmal eine Frage zum weiteren Ablauf stellen? Wie sieht denn üblicherweise ihr Entscheidungsprozess aus, wenn es um XYZ in Ihrer Firma geht? Durch welche Instanzen läuft das?“

Oder wenn du es noch ein bisschen netter verpacken möchtest:

„Herr Egomanus, Sie kennen Ihr Unternehmen besser als ich. Darf ich Ihnen einmal eine Frage zum weiteren Ablauf stellen? Wie sieht denn üblicherweise der Entscheidungsprozess beim Einkauf von XYZ bei Ihnen aus?“

Frage 2: Was muss ich ihn zeigen, damit Sie kaufen?

Wenn ich diese Frage höre, da muss ich gleich an den Titel Bobby Brown von Frank Zappa denken …, das war nämlich ein Hit im Jahr 1980 und das war auch wahrscheinlich der letzte Zeitpunkt, zu dem diese Frage noch einigermaßen tolerabel war. Wenn du heute fragst was muss ich Ihnen zeigen, damit Sie kaufen, dann ist das der Offenbarungseid für deine Verkaufsstechniken. Sie klingt zwar auf den ersten Blick wirklich hilfreich an, denn wenn ein Kunde dir darauf eine Antwort gibt hast du ja gleich den Schlüssel zum Verkaufsabschluss in der Hand. Nach dem Motto: Was muss ich Ihnen zeigen damit Sie kaufen? Kunde: Zeigen Sie mir zwei Referenzen und versichern Sie mir das alles gut wird. „Catching“ – Abschluss.

Das Blöde daran ist nur, dass dieser Dialog zwischen Kunde und Verkäufer so niemals stattfinden wird.

Merk dir eines:

Es gibt keine Abkürzung im Verkaufsgespräch.

Wenn du wissen willst, was du dem Kunden zeigen musst, um einen Abschluss zu machen, dann musst du ein bisschen mehr drauf haben, als diese Frage:

  • Du musst gut darin sein mit den richtigen Fragen Probleme, Wünsche und Ziele des Kunden herauszuarbeiten.
  • Du musst gut darin sein mit den richtigen Fragen die Kaufkriterien des Kunden zu definieren.
  • Und du musst gut darin sein all diese Informationen abzugleichen mit deinem Produkt und deiner Dienstleistung.

Denn ganz ehrlich: ist das nicht der wahre Job des Verkäufers? Die Ansprüche, Wünsche, Ziele, Herausforderungen und Probleme des Kunden wirklich zu verstehen und zu prüfen, ob das eigene Angebot, das eigene Produkt eine mögliche Lösung bieten könnte und dies dann entsprechen zu kommunizieren? Das ist das Herzstück des Verkaufs. Deswegen ist die Frage – was muss ich Ihnen zeigen, damit Sie kaufen? – ungefähr genauso ungeschickt, als wenn du in einer Bar eine – ich nenn sie mal Zielperson – fragst: Welchen Cocktail muss ich dir kaufen, damit du hinterher mit zu mir kommst?

Frage drei: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem aktuellen Lieferanten?

Auch diese Frage klingt gut, ist aber in Wirklichkeit eher das Schaf im Wolfspelz. Grundsätzlich handelt es sich um eine Problemfrage. Problemfragen sind deswegen so gut, weil sie dir helfen Probleme, Herausforderungen und Schwierigkeiten des Kunden in seiner aktuellen Situation zu erfahren. Und Probleme, das ist das kleine Einmaleins des Verkaufens, sind die besten Freunde des Verkäufers. Ohne Probleme, Wünsche und Ziele gibt es keinen Verkauf.

Stell dir den Kunden wie eine Waage vor…

Das ist leicht zu verstehen, wenn du dir den Kunden wie eine Waage vorstellst.

Ohne Probleme, Wünsche und Ziele ist die Waage in einem absoluten Gleichgewicht. Es besteht keine Notwendigkeit zur Veränderung. Es besteht keine Notwendigkeit zum Kauf. Wenn jetzt Probleme auftauchen, verändert sich das Gewichtsverhältnis und die Kundenwaage ist nicht mehr im Gleichgewicht. Um die Waage wieder ins Gleichgewicht zu bringen, muss etwas geschehen. Oder anders ausgedrückt: Kunden kaufen nur, wenn sie für sich Probleme, Wünsche oder Ziele erkannt haben. Deswegen sind Problemfragen so wunderbar. Allerdings muss man bei der Formulierung dieser Fragen natürlich auch darauf achten, was da mitschwingt.

Wann ist diese Frage sinnvoll – und wann nicht?

Diese Frage kann durchaus hilfreich sein kann, wenn ein Kunde auf dich zukommt und bei seiner Problembeschreibung schon durchblicken lässt, dass er mit seinem jetzigen Lieferanten nicht so wahnsinnig zufrieden ist. Ein absolutes No-Go ist diese Frage allerdings in der Kaltakquise. In der Kaltakquise gehst du ja ungefragt auf einen Interessenten zu. Wenn man das im Hinterkopf hat, dann muss man sich die Frage stellen:

Welcher normale Geschäftsmann (Sternchen *innen zum korrekten Gendern) würde allen Ernstes nach 12 Sekunden in einem Telefonat mit einem Fremden seine komplette Unzufriedenheit mit einem aktuellen Lieferanten preisgeben. Nach dem Motto: „Gut das Sie anrufen, mein jetziger Lieferant erhöht ständig die Preise und zieht uns immer wieder über den Tisch. Außerdem sind wir mit der Qualität seiner Leistung auch nicht mehr zufrieden.“

Selbst wenn das stimmen sollte, wird sich keiner in einem ersten Gespräch dermaßen vertrauensduselig outen. Zumindest keiner, den man im weiteren Verlauf ernst nehmen könnte.

Deswegen wird die Antwort des Kunden auf diese Frage immer in die Richtung gehen. Wir sind ganz zufrieden, danke. Jetzt kannst du zwar noch ein verzweifeltes: „Ich kann ja trotzdem mal ein Angebot machen“ hinterher schieben. Aber manchmal ist es einfach gut festzustellen, dass man versucht ein totes Pferd zu reiten.

Wenn du in der Kaltakquise ein Problem mit dem aktuellen Lieferanten des Kunden adressieren möchtest, dann musst du unbedingt auf das richtige Timing achten. Dein Kunde braucht zunächst einmal ein gewisses Grundvertrauen in dich, um sich bei internen Themen dir gegenüber zu öffnen. Häufig ist es geschickter sich in der Kaltakquise anders zu positionieren. Zum Beispiel als Ergänzung zum jetzigen Lieferanten. Das sind dann Sätze wie:

„Herr Erasmus, ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Sie bereits mit einer Spedition zusammenarbeiten. Und jetzt fragen Sie sich sicherlich, warum ich mich trotzdem bei Ihnen melde, richtig? Ich sehe mich gar nicht als Konkurrenz zu Ihrem jetzigen Lieferanten, sondern eher als Ergänzung, wenn es Kapazitätsprobleme oder ungewöhnliche Ladungen geht…“